„Aber erstmal nur Copilot !?“

„Aber dann bist Du erst mal nur Copilot, oder?“ Diesen Satz höre ich regelmäßig, wenn ich beim Smalltalk erzähle, dass ich Pilot bin, oft gefolgt von der Frage „Und wann bist Du dann richtiger Pilot?“. Dieser Satz unterstellt gleich Zweierlei: Zum einen mangelnde Erfahrung und Kompetenz. Zum anderen Faulheit – schließlich sitzt der Copilot ja nur da, schaut zu und bekommt obendrein noch übertrieben viel Geld dafür. Ein gängiges Vorurteil.

An Bord gibt es unter den Besatzungsmitgliedern verschiedene Ränge:

Flugkapitän: Der Kapitän trägt die volle Verantwortung für Fluggäste, Besatzung und Fluggerät. Er ist die höchste Autorität und trägt das Kommando, weshalb die juristische Bezeichnung auch „Pilot-in-Command“ oder „Commander“ lautet. Er hat die letzte Entscheidung über alle Belange im Flug, akzeptiert das Flugzeug und dessen technischen Zustand vor dem Flug und bestimmt die benötigte Menge an Kerosin. Der Kapitän darf im Rahmen der Flugsicherheit den Transport bestimmter Passagiere verweigern, diesen den Zutritt zum Flugzeug verbieten oder sie vor dem Flug wieder abladen. Im Gefahrenfall gilt das Notfallrecht des Kapitäns, dann darf er im eigenen Ermessen alle für die Flugsicherheit notwendigen Maßnahmen ergreifen.

Erster Offizier: Im Volksmund auch der „Copilot“. Faktisch ein Pilot mit dem Rang eines Ersten Offiziers. Er ist der Stellvertreter des Kapitäns und übernimmt das volle Kommando im Falle von dessen Abwesenheit oder Handlungsunfähigkeit. Er unterstützt den Kapitän in der sicheren und ordnungsgemäßen Flugdurchführung und ist ausreichend kompetent und gut ausgebildet, um im Notfall auch alleine eine sicheren Abschluss des Fluges herbeizuführen. Das heißt, der Erste Offizier fliegt nicht nur das Flugzeug, er trägt auch maßgeblich bei zu allen Entscheidungsfindungsprozessen des Kapitän. Übrigens gibt es Konstellationen, in denen der Erste Offizier der Erfahrenere der Piloten ist, sei es in der Gesamterfahrung oder auf dem spezifischen Flugzeugtyp.

Senior First Officer: Auf extremen Langstrecken gibt es oft noch einen dritten Mann im Cockpit, sodass alle Piloten während des Fluges Ruhephasen finden können und die maximale Flugdienstzeit nicht überschritten wird. Oft wird dafür ein Senior First Officer eingesetzt, also ein sehr erfahrener Erster Offizier. Er übernimmt während der Ruhephase des Kapitän die Verantwortung für den Flug und steht im Rang zwischen dem Kapitän und dem Ersten Offizer.

Purser/Senior: Der höchste Rang unter den Kabinenbesatzungsmitgliedern. Diese Person ist verantwortlich für die Sicherheit in der Kabine, die korrekten Abläufe bezüglich Sicherheitsverfahren und Service, außerdem kümmert sie sich im Regelfall um die Passagiere der Business-Class. Sie untersteht ebenfalls der Cockpitbesatzung.

Flight Attendant/Junior: Die guten Seelen an Bord, die in erster Linie für die Sicherheit und dann erst für den Service und Komfort der Passagiere zuständig sind. Alle Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter sind die Augen, Ohren und Nasen für die Piloten, Unregelmäßigkeiten werden sofort an das verantwortliche Kabinenbesatzungsmitglied oder, im Bedarfsfall, direkt an den Kapitän gemeldet.

Damit die Zusammenarbeit an Bord gelingt und Verantwortlichkeiten sowie Autoritäten geklärt sind, gibt es eine strenge, aber im Idealfall flache, Hierarchie, die sogenannte „chain of command“. An deren Spitze steht der Kapitän, gefolgt von Senior First Officer und First Officer, danach Purser/Senior und danach, abhängig von der Seniorität, die Flugbegleiterinnen und -begleiter.

Die Piloten wechseln sich in der Regel beim Fliegen ab, man unterscheidet dann zwischen PF und PM:

Pilot Flying (PF): Der Pilot, der das Flugzeug steuert. Das heißt, er fliegt das Flugzeug manuell (v.a. zu Start und Landung) oder bedient den Autopiloten, sobald er eingeschaltet wird. Er informiert den Kollegen über seine Intentionen und ordert Konfigurationsänderungen, etwa das Ausfahren der Landeklappen oder des Fahrwerks. Er führt die Briefings vor Start und Landung durch und übernimmt meistens auch die Flugvorbereitung im Cockpit.

Pilot Monitoring (PM): Der „überwachende“ Pilot. Er überwacht und unterstützt den PF beim Steuern des Flugzeuges, führt die Konfigurationsänderungen aus und übernimmt den Funkverkehr mit den Fluglotsen. Der PM kümmert sich um das Ausfüllen des Flugplanes im Flug und kontrolliert dabei den Spritverbrauch. Vor dem Flug führt er die visuelle Außeninspektion (walkaround) des Flugzeuges durch.

Damit sich die Besatzungsmitglieder bei ihrer Arbeit nicht in die Quere kommen, damit es aber auch eine Routine gibt und keine wichtigen Arbeitsschritte vergessen werden, gibt es für Cockpit und Kabine, für jede Arbeitsposition im Flugzeug festgelegte Arbeitsabläufe, sie sogenannten Standard Operating Procedures (SOPs). Diese werden von der Fluglinie – in Absprache mit dem Flugzeughersteller und unter Berücksichtung nationaler Richtlinien – erstellt, geschult und regelmäßig überprüft.

Damit alle Ressourcen an Bord voll ausgeschöpft und sinnvoll genutzt werden können, hat sich seit dem zweiten Weltkrieg das sogenannte CRM immer weiter entwickelt. 
Anfangs gedacht als „Captains Resource Management“, hat es sich weiter entwickelt über das „Cockpit Resource Management“ bis hin zum heute gebräuchlichen „Crew Resource Management“. Darunter versteht man das Nutzen und Einbeziehen aller an Bord verfügbaren Ressourcen für die sichere Flugdurchführung. Dazu gehören natürlich Kommunikation, Teamfähigkeit aller Besatzungsmitglieder sowie Führungsstil des Kapitäns, aber genauso Stressmanagement, situative Aufmerksamkeit, Entscheidungsfindung und vieles mehr.
Das ideale Zukunftsmodell von CRM lautet übrigens „Company Resource Management“ und sieht insbesondere vor, dass die Fluggesellschaften ebenfalls das Beste aus ihren Resourcen – also vorrangig dem fliegenden Personal – herausholen. Dazu gehören insbesondere Dienstplangestaltung mit einer ausgewogenen work-life-balance und einer vernünftigen, Erholung zulassenden Ruhephase nach dem Dienst und nach einer Dienstperiode – da haben viele Fluggesellschaften großen Nachholbedarf – darüber hinaus interne Kommunikation oder Training.
CRM wird in der Pilotenausbildung gelehrt, bei der Airline unter Piloten und Flugbegleitern geschult und ebenfalls regelmäßig überprüft und bewertet.

Jedes Besatzungsmitglied an Bord ist kompetent ausgebildet, jedes Besatzungsmitglied ist wichtig und jedes Besatzungsmitglied trägt zur sicheren Flugdurchführung bei.

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