Open Cockpit

Ich hatte das Privileg, dass unser Nachbar Gerhard Lufthansapilot war und mir all meine Fragen beantworten konnte. Und glaubt mir, das waren sehr viele, die er mir im Laufe der Jahre immer sehr bereitwillig und ausführlich erklärt hat.

Für mich waren das immer besondere Momente: Wenn ich von der Schule heimkam und sein Auto vor dem Haus stehen gesehen habe und wusste, ich kann wieder Antworten bekommen. Die Aufregung und Vorfreude auf dem Weg zu seinem Haus. Die Faszination über alles, was er mir erzählt hat. Und schließlich das Glücksgefühl, mit einem Haufen Antworten wieder nach Hause zu gehen.

Dafür bin ich ihm heute noch dankbar.

Etwas davon möchte ich gerne zurück geben und über diese Seite Fluginteressierten Fragen rund um die Luftfahrt beantworten.

Schreibt mir einfach, was ihr immer schon übers Fliegen wissen wolltet, an fragen@opencockpit.de

Die zweite Frage, die mir gestellt wurde, ist, warum der Druck auf den Ohren während des Sinkfluges manchmal schwächer, und manchmal stärker ist und der Druckausgleich mal besser und mal schlechter funktioniert.

Drei Faktoren spielen dabei eine maßgebliche Rolle:

Der Flugzeugtyp. Der Druck der Atmosphäre halbiert sich mit zunehmender Höhe etwa alle 6 km – allerdings nicht linear, sondern hyperbolisch. Die Flugzeuge der ersten Generation hatten keine Druckkabine, d.h. der Kabinendruck war stets gleich dem vorherrschenden atmosphärischen Außendruck. Erst mit dem Einführen der Druckkabine wurde Luftverkehr in der uns bekannten Form möglich: Große Flughöhen sind notwendig für die effiziente Flugdurchführung und extreme Reichweiten, deutlich geringerer Kabinendruck dagegen macht den Transport von Lebewesen überhaupt erst möglich. Größere Flughöhen bedeuten aber auch größere Druckunterschiede zwischen Kabine und Atmosphäre und damit großen mechanischen Stress für die Flugzeugzelle. Dieser Differenzdruck ist limitierend, beträgt gewöhnlich etwa 6-8 psi; der Kabinendruck in den gängigen Mustern im heutigen Luftverkehr gleicht etwa dem der Atmosphäre in 2500m Höhe, modernere Flugzeuge erzielen sogar eine noch geringere Kabinenhöhe.
Gesteuert wird der Druck über Ventile: Die Klimaanlage pumpt kontinuierlich Luft in die Flugzeugzelle, Auslassventile öffnen sich und lassen so viel Luft wieder abfließen, dass sich der notwendige Kabinendruck aufbauen kann. Die Ventile werden automatisch gesteuert und folgen einem vom Flugzeughersteller vorgegebenem Druckprofil. Und genau das führt zu Unterschieden zwischen den verschiedenen Flugzeugtypen, die zwar ähnlich funktionieren, aber manchmal eben merklich unterschiedlich sind.

Das Flugprofil. Der Kabinendruck und dessen Steuerung ist immer auch abhängig vom Sinkprofil des Flugzeuges. Einfach gesagt: Hohe Sinkgeschwindigkeit des Fliegers bedeutet einen schnelleren Druckaufbau während des Sinkfluges und damit einen größeren Druckunterschied zwischen Innenohr und direkter Umgebung. Eine geringe Sinkrate führt dagegen häufig dazu, dass die Druckunterschiede fast nicht wahrnehmbar gering sind.
Für den Sinkflug müssen die Piloten eine Balance finden zwischen Ökonomie/Ökologie und Passagierkomfort: Ein allzu frühes Einleiten des Sinkfluges für angenehmen Druckausgleich führt zu einem unwirtschaftlichen Treibstoffverbrauch, spätes aber schnelles Sinken ist unangenehm für die Fluggäste. Dazu kommt, dass das Sinkprofil immer auch den regionalen Luftraumstrukturen und der aktuellen Verkehrssituation in Absprache mit den Fluglotsen angepasst werden muss.

Die eigene körperliche Konstitution. Das Trommelfell trennt den Gehörgang vom lufthaltigen Mittelohr; der Druckausgleich zwischen Mittelohr und Umgebung finde über die Eustachi’sche Röhre statt, die es mit dem Rachenraum verbindet. Beim Schlucken und Gähnen öffnet sie sich und ermöglicht den Druckausgleich. Ist die Röhre blockiert oder zugeschwollen, wird Druckausgleich erschwert oder unmöglich. Dazu sind übrigens schon ganz kleine Infektionen ausreichend, die man am Boden kaum oder gar nicht wahrnimmt, in der Luft dafür umso mehr.
Probleme mit dem Druckausgleich treten übrigens aus folgendem Grund zumeist im Sinkflug auf: Beim Steigflug ist der Innendruck im Mittelohr höher als der der Umgebung, der Überdruck kann sich leicht seinen Weg durch die Eustachi’sche Röhre bahnen, sogar bei geschwollener Röhre und ohne großes persönliches Zutun; das Phänomen nennt sich auch „passiver Druckausgleich“. Beim Sinkflug dagegen entsteht ein Unterdruck im Mittelohr, der aktiv ausgeglichen werden muss durch Schlucken, Kauen oder Gähnen. Bei blockierter Röhre ein schwieriger und oft schmerzhafter Akt. 

Tips für einen gelungenen Druckausgleich:

  • Überprüfen des Druckausgleiches vor dem Flug. Wenn es im Ohr knackt, ist in der Regel alles intakt. Falls nicht, lohnt sich der Gang zum HNO-Arzt, der dann ein abschwellendes und kortisonhaltiges Nasenspray verschreiben kann.
  • Nasenspray sollte am besten schon vor dem Flug und dann auch währenddessen verwendet werden, in jedem Fall ausreichend lange vor dem Sinkflug; Anwendung bei Schmerzindikation ist bereits zu spät.
  • Wer anfällig ist für Probleme mit dem Druckausgleich, sollte im Sinkflug möglichst nicht schlafen: Während der Mensch schläft, reduzieren sich Speichelproduktion und Schluckrate, was das Öffnen der Eustachi’schen Röhre beeinträchtigt. Babys sollten aus demselben Grund vor dem Sinkflug geweckt werden.
  • Kaugummikauen oder Bobonslutschen stimuliert die Röhre, ebenso Trinken in kleinen Schlückchen.

Wenn sich während des Sinkfluges starke Schmerzen einstellen, ist es unbedingt ratsam, das Flugpersonal zu informieren: Flugbegleiterinnen sind erfahren und auch medizinisch ausreichend gut geschult, um Hilfestellung zu geben. Bei anhaltendem Schmerz können die Piloten das Sinkprofil anpassen oder – als allerletzte Möglichkeit und nur falls es Treibstoff und Verkehr zulassen – wieder auf größere Höhe steigen, um den Druckunterschied zu verringern und die einsetzende Wirkung von abschwellenden Medikamenten, die sich meist in den Bordapotheken befinden, abzuwarten.

Wenn sich nach der Landung andauernder Schmerz einstellt, ist ein Besuch beim HNO-Arzt ebenfalls ratsam, der im Falle eines Barotraumas einen entsprechenden Behandlungsplan aufstellen kann.

Die erste Frage, die mir per Mail gestellt wurde, lautet: Wie lange dürfen Piloten arbeiten, bis sie in Ruhestand gehen?

Seit der EU-Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 vom 3. November 2011 dürfen Piloten bis zum Alter von 65 Jahren fliegen.

Der Gesetztestext sieht dazu folgende Einschränkungen vor:

Piloten über 60 Jahre dürfen nur als aktives Crewmitglied in einer Besatzung, die aus mehreren Piloten besteht, fungieren.
Außerdem darf es im Cockpit nur ein aktives Crewmitglied geben, das älter als 60 Jahre ist.

Ab 65 Jahren darf ein Pilot nicht mehr im gewerblichen Luftverkehr tätig sein; Positionen als Trainer oder eine Funktion als aktiver Pilot auf Überführungs- oder technischen Flügen ohne Passagiere sind – theoretisch – weiterhin möglich.

Es gibt Airlines, die ihrem fliegenden Personal die Möglichkeit geben, schon deutlich früher in den Ruhestand zu gehen und dafür eine sogenannte „Übergansgversorgung“ anbieten. Das ist aktuell auch noch bei der Deutschen Lufthansa der Fall. Die Piloten-Streiks in den vergangenen Jahren hatten besonders den Hintergrund, dass diese Übergangsversorgung gestrichen werden soll und hat nicht primär – wie oft fälschlicherweise angenommen – mit der Forderung nach einem höheren Gehalt zu tun.

Für die Regelung der täglichen Arbeits- und Dienstzeiten ist seit 1. April 2016 europaweit die Verordnung (EU) 83/2014 vom 28. Januar 2014 maßgebend.
Es ist ein umfassendes, kompliziertes Regelwerk, daher hier eine Zusammenfassung:

Die maximale Flugdienstzeit (= FDP [Flight Duty Period] also die Zeit vom Beginn des Dienstes bis zum Ende des letzten Fluges als aktives Crewmitglied, inklusive der Zeit zur Flugvorbereitung, der Flugzeiten selbst und der Zeit zwischen den aktiven Flügen; die Zeit zur Flugnachbereitung oder Positionierungsflüge der Crew nach dem aktiven Dienst zählen dann lediglich zur Dienstzeit) ist abhängig von der Anzahl der durchgeführten Flüge und der Checkin-Zeit. Für gängige 4 Flüge pro Dienst beträgt die maximale FDP zwischen 10:00 und 12:00 Stunden, abhängig vom Checkin der Crew.

Unter gewissen Umständen darf die Crewplanung eine „planned extension durchführen, also eine geplante, vor dem Dienst anzukündigende Verlängerung des Flugdienstes. Diese unterliegt ebenfalls unzähligen, teils komplizierten Bestimmungen.

Unter bestimmten Voraussetzungen darf der Flugkapitän einen sogenannten „Kapitänsentscheid“ anordnen – eine Verlängerung der Flugdienstzeit der Besatzung um bis zu 2 Stunden. Dieser Entscheid dient dazu, um auf unvorhergesehen Umstände reagieren zu können, beispielsweise operationelle oder technische Schwierigkeiten außerhalb der Homebase, um Passagiere an ihr Ziel, besonders aber Besatzung und Fluggerät zurück an die Homebase befördern zu können. Auch der Kommandantenentscheid unterliegt diversen Regularien, nicht zuletzt muss der Kapitän aber gut abwägen, ob er die Dienstverlängerung der Besatzung im Sinne der Flugsicherheit zumuten kann.

Was die Dienstzeit angeht, so gelten folgende Limits:

Max.  60 Dienststunden in 7 aufeinanderfolgenden Tagen
Max.  110 Dienststunden in 14 aufeinanderfolgenden Tagen
Max.  190 Dienststunden in 28 aufeinanderfolgenden Tagen
Max.  2000 Dienststunden im Kalenderjahr

Für die Flugstunden gilt folgendes:

Max. 100 Flugstunden in 28 aufeinanderfolgenden Tagen
Max. 900 Flugstunden pro Kalenderjahr
Max. 1000 Flugstunden in 12 aufeinanderfolgenden Monaten

Auch wenn die meisten Fluggesellschaften umfassende Software zur Dienstplangestaltung und Überwachung der Maxima verwenden, ist jedes Crewmitglied stets selbst dafür verantwortlich, keine Limits zu überschreiten. Umfassende Kenntnis der Vorschriften ist daher unabdingbar.

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