Die Macht des Wortes
„Mayday, mayday, mayday!“ Worte, die kein Pilot jemals sagen müssen möchte. Ein – fliegerischer – Hilferuf, der im Französischen wurzelt: M’aidez! Helft mir! Dieses Wort verändert mit einem Schlag alles: Die gängigen Verfahren an Bord dürfen außer Kraft gesetzt werden, es gilt das uneingeschränkte Notfallrecht des Kapitäns. Die Flugsicherung räumt dem Flugzeug in Not höchste Priorität ein. Am Flughafen wartet eine Kolonne an Einsatzfahrzeugen an der Landebahn, bereit, sofort Rettungsmaßnahmen einzuleiten. Ein Wort, das alles verändert. Ein Wort, das mit Bedacht gewählt werden muss. Ein Wort mit Kraft und Wirkung.
Noch stärker in Kraft und Wirkung hingegen ist Gottes Wort. Das Wort ist gleichsam Vater, Sohn und Geist, weil es bei Gott ist und weil Gott es ist. Sein Wort ist geheimnisvoll und doch klar, ungreifbar, aber begreifbar und wunderbar vielfältig: Es ist gestaltend, wie uns die Schöpfungsgeschichte erzählt. Es ist heilend, wie die Geschichte des Hauptmann von Kafarnaum lehrt. Es ist so gehaltvoll, dass der Mensch nicht vom Brot alleine lebt, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht (Mt 4,4). Das Wort Gottes ist wahrhaftig und was er zusagt, das hält er gewiss (Psalm 33,4), sein Wort hält ewiglich, wenn das Gras schon verdorrt und die Blume verwelkt (Jesaja 40,8). Es ist uns Schutz und Schild, ein Licht auf unserem Lebensweg (Psalm 119). Gottes Wort ist wahr und ehrlich, liebevoll und gütig – und es ist machtvoll.
Auch die Wirkung unseres eigenen Wortes dürfen wir nicht unterschätzen – und tun es trotzdem so oft: Dann verletzt es, wo es trösten soll. Es ist oft unbedacht, wo es sensibel sein muss oder hilflos, wo es dringend notwendig ist. Beleidigend, wo es liebevoll sein kann. Mehr verneinend als bejahend, öfter falsch als aufrichtig. Viele Worte um nichts, statt einer klaren Botschaft, eines prägnanten Inhalts. Es fällt uns vielleicht schwer, aufrichtig zu unserem Wort zu stehen, weil es bedeutet, dafür Verantwortung übernehmen zu müssen. Vielleicht finden wir keine liebevollen oder sensiblen Worte, weil es heißt, dass wir uns dazu dem Gegenüber öffnen und unser Innerstes preisgeben müssten. Ein Nein anstelle eines Ja, oft bequemer und effizienter – aber genauso befriedigend? Einen Moment über das Wort nachdenken, bevor es ausgesprochen wird, erfordert Zeit und Selbstreflexion – sind wir dazu bereit? Wenn wir Gottes Wort als Beispiel nehmen, kann gar nichts mehr schief gehen – dann wird unser Wort aufrichtig, ehrlich, verständlich und gehaltvoll. Pfingsten ist dafür der lebendige Beweis: Die Jünger werden vom heiligen Geist erfüllt, sie fangen an zu reden und werden verstanden.
Als Kinder Gottes haben wir einen direkten Anteil am Wort Gottes. Durch das Gebet können wir direkt mit Gott sprechen, können ihm unsere Sorgen und Nöte anvertrauen, dürfen wir um Rat fragen. Im Gebet können wir mit unseren Bitten zu Gott kommen und auch Fürbitte für andere Menschen äußern. Das Wort wird zur Aufgabe. Das Wort wird zur Hoffnung. „Aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“